8. August - Weltkatzentag
08. August - Weltkatzentag
Seit 2002 gibt es den Weltkatzentag*. Durch wen und wann genau er ins Leben gerufen wurde, ist nicht ganz klar. Jedoch hat der Weltkatzentag einen wichtigen Hintergrund: Er soll auf einige problematische Themen rund um unsere felinen Freunde aufmerksam machen – und damit sind nicht nur unsere kleinen Stubentiger gemeint, sondern auch ihre großen Artgenossen in freier Wildbahn. Zudem widmet sich der Tag den vielen unterschiedlichen Bedürfnissen, die Katzen, egal wie groß und welche Rasse, nun einmal von Natur aus haben. Dies ist auch ein wichtiger Stichpunkt, den ich gern aufgreifen würde, denn vor allem im Tierschutz erlebe ich es leider häufig, dass kätzische Bedürfnisse und arteigene Verhaltensweisen missverstanden werden.
In meinem Blog-Artikel vom 05.07.2022, in dem es um die tiergerechte Innenhaltung von Katzen geht, erkläre ich, allem voran, das Wesen der Katze sowie ihre natürlichen und arteigenen Verhaltensweisen. Katzen sind räuberische Carnivoren, die sich ausschließlich von Fleisch bzw. anderen Lebewesen ernähren. Ihr Verdauungssystem hat sich über die Jahrtausende hinweg nicht verändert, sodass sie auch heute noch ursprünglich ernährt werden sollten. Ihnen liegen bestimmte arteigene Verhaltensweisen in den Genen, die sie, mehr oder minder, ausleben müssen. Dazu gehört natürlich das Jagen. Bei Katzen gibt es eine sogenannte Jagd-Handlungskette, die jeder Katze angeboren ist. Zu ihr gehören u.a. das Reagieren auf bestimmte Schlüsselreize sowie das Lauern und Zupacken. Der Tötungsbiss spielt dabei nochmal eine ganz eigene Rolle, auf welche ich später noch eingehe. Katzen wurden, genau wie Hunde, über viele Jahre hinweg gezüchtet und domestiziert (Haustierwerdung durch Zuchtauswahl), sodass es auch bei Katzen zu Wesens- und Optik-Änderungen kam, jedoch bei weitem nicht so stark ausgeprägt, wie bei Hunden. Dennoch kann man sagen, dass das ursprüngliche Wesen des kleinen Jägers bis heute erhalten geblieben ist.
In meiner langjährigen Tierschutzarbeit erlebe ich es leider sehr häufig, dass es zur artgerechten Haltung von Katzen sowie ihren Ansprüchen und Bedürfnissen viele widersprüchliche und verzerrte Ansichten gibt. Vor allem wird sehr oft dazu geraten, Katzen IMMER zu zweit zu halten, da sie ja soziale Wesen sind und einander brauchen. Diese Aussage ist nicht nur falsch, sondern auch einer der häufigsten Gründe für meine Arbeit als Tierpsychologin. Der nächste Punkt, der mich als Tierpsychologin sogar richtig verärgert, ist die Ansicht, dass Katzen ausschließlich drinnen oder in gesicherten Freigehegen gehalten werden sollten, da sie eine der größten Gefahren für unsere einheimische Vogelwelt wären. Zudem wird im selben Atemzug behauptet, dass wirklich jede Katze in Innenhaltung klar käme, wenn man sich nur genug Mühe gebe. Hierzu möchte ich aus meiner fachlichen Sicht gerne aufklären:
1. Mythos "Glückliche Zweisamkeit"
Katzen sind zwar von Natur aus soziale Wesen, aber das heißt nicht, dass sie immer einen Artgenossen brauchen. Sie KÖNNEN sich zu sozialen Tieren entwickeln, wenn sie in ihrer sensiblen Phase (1. - 16. Lebenswoche) viele positive Erfahrungen mit Artgenossen gemacht haben und mit ihnen aufgewachsen sind. Dennoch ist das niemals ein Garant dafür, dass eine erwachsene Katze auch mit einer anderen Katze zusammen leben möchte. In der freien Natur leben die Tiere aus anderen Gründen miteinander, wobei sich Katzenpaare, -freunde oder -gemeinschaften immer auf freiwilliger Basis und mit genug Freiraum bilden. Familienmitglieder leben oftmals sogar in Familienverbänden zusammen. In meiner Beratungspraxis erlebe ich es aber auch öfter mal, dass wirklich gut sozialisierte Katzen als erwachsene Tiere einfach kein Interesse an anderen Artgenossen haben und lieber mit ihren Menschen zusammen leben und interagieren. Diesen Katzen eine fremde Zweitkatze aufzuzwingen ist kein Geschenk und auch nicht tiergerecht, denn wenn ein Artgenosse partout abgelehnt wird, so würde das Zusammenleben puren Stress bedeuten. Meistens leben diese Katzen dann auch noch in Innenhaltung, wo es sehr viel schwieriger ist, sich effektiv und entspannt aus dem Weg zu gehen. Die Folge sind meistens Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Verhaltensstörungen, wie Aggressivität, Angst, Unsauberkeit, etc. Anders verhält es sich natürlich bei der Anschaffung von Kitten – hier würde ich auch immer dazu raten, ein Geschwisterpärchen oder zwei bereits befreundete Katzen zusammen aufzunehmen, denn diese Tiere haben bereits eine enge Bindung und Beziehung zu einander, die nicht gebrochen werden sollte. Auch bei der Adoption aus einer Pflegestelle oder aus dem Tierheim sollten, wenn möglich, bereits befreundete Katzen zusammen adoptiert werden, da sich beide viel Halt geben.
2. Mythos "Größter Vogelmörder"
Dieses Thema brennt mir schon lange auf der Seele, da es mitsamt seinen Folgen und falschen Behauptungen zu Katzenleid, Frust und Unmut führt. Doch von vorn: Seit einigen Jahren gibt es immer mehr Menschen, darunter viele Tierschützer, die behaupten, dass Katzen eine der größten Bedrohungen für unsere einheimischen Vögel sind. Grund dafür ist, dass unsere Hauskatzen, welche von der afrikanischen Wildkatze (Falbkatze) abstammen, als Invasoren zu uns eingeschleppt wurden und deswegen als nicht-heimische Räuber den Artbestand unserer Vögel sehr stark bedrohen. Als Quelle für diese These werden bisher nur amerikanische Studien angeführt. Das Problem dabei ist, dass die Ausgangssituation in den USA eine ganz andere ist: Hier gibt es tatsächlich ein immens großes Problem mit freilaufenden Katzen, allen voran verwilderten Hauskatzen. Diese große "Katzenschwemme" stellt tatsächlich ein Problem für die dortige Vogel- und Nagerwelt dar. Jedoch lassen sich diese Verhältnisse nicht auf Deutschland übertragen, da die Zahl der freilaufenden Katzen gar nicht vergleichbar mit der in den USA ist. Folglich gibt es keine relevanten Studien aus Deutschland, die diese Behauptungen stützen. Repräsentative Studien zum Vogelsterben in Deutschland zeigen auf, dass es ganz andere Gründe gibt, die die ersten Plätze in Sachen Vogelsterben belegen: Das sind
die immer stärker werdende, intensive Landwirtschaft*
große Glasfassaden an Gebäuden und große Fenster*
der Rückgang von Insekten und die Ausbreitung von nicht-heimischen Pflanzenarten, die unseren Insekten wenig bis gar keine Nahrung bieten.
auch das zu niedrige Anbringen von Vogelhäuschen ist ein Problem, das häufig nicht beachtet wird – hier haben Katzen leichtes Spiel!
Der Katze also als alleinigen Übeltäterin die Schuld am Vogelsterben zuzuschreiben ist nicht nur falsch, sondern auch verdammt unfair.
Ein Thema, welches tatsächlich ein großes Problem darstellt, ist, dass Vögel häufig nur von Katzen verletzt werden und nicht getötet. Vor allem in der Tierrettung sind durch Katzenbisse verletzte Vögel und Nager einer der häufigsten Notfälle. Und hier komme ich auf den oben genannten Tötungsbiss zurück, der Teil der angeborenen Jagd-Handlungskette ist: Katzen kommen mit den genetischen Anlagen zum Jagen und Töten auf die Welt – jedoch müssen sie deren korrekte Ausführung erst erlernen. Da wir unsere geliebten Kätzchen aber schon von klein auf mit Fertigfutter (zu)füttern, müssen sie niemals lernen, wie man den Tötungsbiss richtig ausübt. Zudem befinden sich Hauskatzen, die ein Zuhause haben, meist nicht in der (Not)Lage, sich selbst ihr Futter zu erarbeiten, denn sie werden regelmäßig durch den Menschen versorgt. Dementsprechend leben sie zwar gern ihren Jagdtrieb aus (denn sie können auch gar nicht anders), wissen aber nicht, wie man richtig zubeißt, um die Beute auch zu töten. Das kann man ganz häufig auch sehr gut beim aktiven Spiel mit der Spielangel oder einem anderen Jagd-Ersatzspiel beobachten: Die Katze ist ganz wild und aktiv beim Spiel dabei, doch wenn sie die Beute erwischt hat, weiß sie oftmals nicht, was sie dann tun soll. So kommt es zu verletzten Beutetieren, denn unsere Hauskatzen wissen nicht, wie sie töten sollen. Auch der Anreiz des Überlebens fehlt, denn der volle Futternapf wartet ja schon um die Ecke. Aus diesen Gründen fordern vor allem viele Tierschützer, dass Katzen ausschließlich in Innenhaltung oder mit gesichertem Freigang gehalten werden sollen, denn als Invasoren hätten sie sowieso nichts in unserer einheimischen Flora und Fauna verloren. Diese Forderung entbehrt aber jeder wissenschaftlichen Grundlage und übersieht voll und ganz die natürlichen Bedürfnisse dieser kleinen Jäger. Vor allem entzieht sich der Mensch auch hier mal wieder seiner Verantwortung!
Katzen wurden ursprünglich bewusst in Haussiedlungen und Häusern gehalten, um Vorräte und Höfe vor (schädlichen) Nagern zu schützen. Denn Mäuse und andere Nager gehören zu ihren Hauptbeutetieren – nicht Vögel. Doch durch die extreme Landwirtschaft und Städteerschließung geht auch der Bestand von Nagern zurück. Katzen werden aber durch die Bewegungen von kleinen Tieren, die sich in Bodennähe befinden, sofort angeregt und die Jagd-Handlungskette ist aktiviert. Durch die globale Erschließung gelang die Falbkatze auch nach Europa und Asien, bis sie schließlich die ganze Welt eroberte. Als Haustier ist sie so beliebt, weil sie sich domestizieren und zähmen ließ. Doch weil unsere Hauskatze sich von ihrem Wesen her kaum verändert hat, ist sie eben kein "unkompliziertes Kuscheltier" ohne Bedürfnisse! Sie ist noch immer der aktive und aufmerksame Jäger, der ein artgerechtes Leben mit Freiraum und Jagdreizen braucht.
Manche Rassekatzen, aber auch manch entspannte Hauskatze kommen mit der Innenhaltung gut zurecht, wenn diese den Ansprüchen der Katzen entsprechend gestaltet ist und ausreichend Beschäftigung bietet. Und auch gegen einen gesicherten Balkon hat sicher keine Katze etwas einzuwenden. Doch es gibt Katzen, denen die größte und katzengerechteste Wohnung nicht ausreicht, denn sie stellt nunmal kein natürliches Lebensumfeld für einen Jäger dar. Diese Katzen benötigen Freigang – mit Jagdmöglichkeiten. Ganz einfach, weil es nunmal Katzen sind. Häufig findet man diese Typen bei Hybridrassen, wie Bengalen, aber vorrangig sind es wilde oder auf Höfen geborene Hauskatzen, die in Freiheit groß geworden sind. Manchmal müssen verwilderte Katzen auch gesichert werden, z.B. wenn Grundstücke verkauft oder abgerissen werden. Nach der Sicherung dieser verwilderten Katzen sollen die Tiere in menschliche Obhut vermittelt werden, oft in reine Innenhaltung. Ein Graus! Die Tiere sind weder auf Menschen sozialisiert noch kennen sie einen beengten, begrenzten Lebensraum. Die Folge sind Verhaltensauffälligkeiten und arge Schwierigkeiten im Zusammenleben mit dem Menschen. Viele Halter berichten zwar, dass die Katzen sich dann doch irgendwann mit ihnen angefreundet haben und ihnen vertrauen (was natürlich sehr schön ist), doch kann man hier keinesfalls von einer "nachträglichen Sozialisierung" sprechen. Diese Tiere haben sich nur an den Menschen gewöhnt (und zwar nur an diesen einen!) - aber sie reagieren scheu, ängstlich oder sogar aggressiv bei anderen Menschen. Fakt ist aber, dass die Tiere in hohes Stresslevel haben, da sie sich an völlig neue und nicht artgerechte Lebensumstände gewöhnen mussten. Von einer art- oder tiergerechten Haltung kann hier keinesfalls die Rede sein.
Doch es gibt auch Katzencharaktere, die trotz guter Sozialisierung und Aufwachsen in Innenhaltung ein ausgeprägtes Temperament haben und sich, bei aller Liebe und Mühe, nicht mit einer Innenhaltung zufrieden geben. Auch Katzengruppen, die nicht harmonisch zusammen leben, können durch Freigang entspannter leben. Wer diese Bedürfnisse ignoriert, wird früher oder später mit den Folgen zu kämpfen haben, denn viele Tiere werden mit der Zeit regelrecht aggressiv, da sie ihre Energie nicht angemessen raus lassen können.
Was also tun? Wer die räumlichen Möglichkeiten hat, der kann seinen Garten zu einem gesicherten Katzenparadies umbauen – aber bitte großflächig 😉 Dieser bietet den Katzen nicht nur eine gute räumliche Erweiterung ihres Reviers, sondern auch viel Beobachtungs- und Jagdreize (z.B. Insekten). Auch mit einem stabilen Katzennetz gesicherte Balkone sind absolut empfehlenswert, wenn sie zudem auch mit Katzenmöbeln ausgestattet sind! Durch diese Maßnahmen sind die Katzen vor Gefahren geschützt, wie z.B. größere Jäger oder der Gefahr von Autos/Straßenverkehr. Vor allem Letzteres ist ein wichtiges Thema bei der Entscheidung Freigang: Denn bei allem Verständnis für die Bedürfnisse unserer Katzen, dürfen wir auch ihre eigene Sicherheit nicht vergessen! Wer beispielsweise direkt in der Stadt oder in unmittelbarer Straßennähe wohnt, dem sei nicht geraten, seine Katze raus zu lassen! Denn auch, wenn Katzen lernen können, den Straßenverkehr zu meiden und ihn als Gefahr einzuschätzen, so gibt es keine Garantie dafür, dass es deswegen nie zu einem Unfall kommt! Die unzähligen Todesopfer durch Verkehrsunfälle, die ich TAGTÄGLICH in der Tierrettung sehe, sind Beweis genug dafür! Wer also unbedingt eine Katze oder besser noch ein Katzenpaar möchte, aber in einer Gegend wohnt, die nicht sicher genug ist, der sollte sich für Katzen entscheiden, die nachgewiesen mit Wohnungshaltung klar kommen und ihnen diesen begrenzten Lebensraum so katzengerecht wie möglich gestalten.
Wie ihr das am besten schafft, können wir gern zusammen besprechen 😊
Allen Katzenhaltern, denen das Wohl ihrer felinen Freunde wirklich am Herzen liegt, wünsche ich heute einen wunderbaren WELTKATZENTAG!
Quellen: